
Polittalk: Überregulierung
Es gibt zu viele Gesetze und Vorschriften! Diese Klage hört man oft – meistens von Politikern aus dem rechten Spektrum und verbunden mit der Forderung, die Regulierungsflut einzudämmen. Leider ist das leichter gesagt als getan. Eine praxistaugliche Regulierungsbremse wurde bisher nicht erfunden. Vergleichende Untersuchungen der Regulierungsaktivität in den Schweizer Kantonen zeigen zwar grosse Unterschiede auf. Diese hängen indes nicht mit der politischen Ausrichtung der Parlamente und Regierungen zusammen. Will heissen: Rechte Parteien sind nicht weniger «regulierungswütig» als linke. Vielmehr sind die Unterschiede durch strukturelle Voraussetzungen zu erklären. In urbanen Kantonen ist die Regulierungsaktivität tendenziell grösser als in ländlich geprägten Kantonen. Wo Gesellschaft und Wirtschaft eine höhere Dynamik und Heterogenität aufweisen, braucht es mehr Regeln – logisch.
Gegen den Grundsatz, dass auf unnötige Vorschriften verzichtet werden soll, hat gewiss niemand etwas einzuwenden. Wenn es aber darum geht, zu klären, welche Vorschriften denn im Einzelnen «nötig» und welche «unnötig» sind, gehen die Meinungen auseinander. Dass Gesetze aus purer Lust an der Schikane erlassen werden, dürfte selten vorkommen. Vielmehr gilt es anzuerkennen, dass hinter den meisten Rechtsnormen ein legitimer Zweck steht. Den zunehmenden Regulierungsbedarf unserer Gesellschaft einfach zu negieren, ist kein taugliches Rezept. Gefragt sind Wege, Regulierungen möglichst effizient und anwenderfreundlich auszugestalten. In einigen Bereichen wäre es beispielsweise möglich, 26 kantonale Gesetze durch einen einzigen Bundeserlass zu ersetzen. Aber der Föderalismus ist bekanntlich eine heilige Kuh. So ernst ist es der politischen Rechten dann doch nicht mit der Bekämpfung der Überregulierung…
Sebastian Koller
GRÜNE prowil
Mitglied Stadtparlament